Originalhörspiel, Ars acustica
Autor/Autorin:
Ruth Johanna Benrath
Der Korallene Wald
Komposition: Andreas Pichler
Redaktion: Markus Heuger
Regie: Christine Nagel
Weitere Mitwirkende
Sprecher/Sprecherin Ilse Ritter Birte Schnöink Paula Dombrowski Hedi Kriegeskotte Christopher Heisler Gerd Wameling Musik: Andreas Pichler
Die westfälische Dichterin Annette von Droste-Hülshoff (1797-1848)
versuchte im Schreiben ihrem unbändigen Freiheitsdrang Ausdruck zu
verleihen, da ihr im Leben als unverheiratete, adelige Frau strenge
Grenzen auferlegt waren. Während sie ihrem starken Ausdruckswillen
Raum gab, rang sie gleichzeitig unter großer Formanstrengung mit der
literarischen Tradition. Kühne Metaphern, drastische
Naturbeschreibungen, Antithetik und Ambivalenz, Mehrdeutigkeit und
Offenheit sind die Spezifika ihres Schreibens, die ihre Texte
ausgesprochen modern wirken lassen.
Ausgangspunkt des Hörspiels ist die Schreibsituation der Droste
während der Genese des literarischen Textes: Die in der historischkritischen
Werkausgabe minutiös transkribierten Formulierungsvarianten
liegen im Manuskript als vielfach übereinander geschriebene Schichten
vor:
Um die für Annette von Droste-Hülshoff typische Arbeitsweise der oft
unter Mühen hervorgebrachten Textstufen nachzubilden, werden die
einzelnen Formulierungsvarianten in einer Art Collage nebeneinander
und übereinander gelegt. Das Tasten nach einer Formulierung, das
Abwägen, die Selbstkorrektur und oftmals auch die Rückverbesserung,
also die Wiederaufnahme einer schon verworfenen Zeile kann als
Gespräch der Autorin mit sich selbst gedacht werden. Diesen
Denkprozess während des Schreibens zeichnet das Hörstück nach, wobei
es weniger um die ausnahmslos korrekte Wiedergabe der in der
Werkausgabe verzeichneten Textstufen geht, als um die Nachahmung der
dichterischen Verfahrensweise.
Hörbar gemacht wird der Moment des „Sich-Veräußerns“ beim Dichten, ein
sehr intimer und fragiler Moment, der sich im diffusen
Entstehungsprozess kaum als bewusster Zustand fassen lässt. Die
Autorenstimme der Annette von Droste-Hülshoff mischt sich ein, die der
Autorin Ruth Johanna Benrath tritt hinzu, die Schreibsituation wird
benannt – ein Chor von Stimmen entsteht aus Sprache – vom Laut zum
Wort zur Zeile – kein Singen, sondern ein Stimmen-Gewebe, das ein
Gedankenfeld im akustischen Raum abbildet.

Produktions- und Sendedaten
- Westdeutscher Rundfunk 2017
- Erstsendung: 30.12.2017 | WDR 3 | 49'29