Originalhörspiel

Autor/Autorin: Raoul Schrott

Erste Erde Epos (2. Teil: Erste Sonnen)

Redaktion: Herbert Kapfer
Technische Realisierung: Josuel Theegarten, Susanne Herzig
Regieassistenz: Stefanie Ramb

Regie: Michael Farin

  • Weitere Mitwirkende

    Sprecher/SprecherinRolle/Funktion
    Samuel FinziNagayoshi Lee

Silvesternacht in Chile. Drei Männer warten darauf, dass sie von einem Berggipfel der Atacamawüste abgeholt werden. Einer von ihnen, ein aus Taiwan stammender Astronom, zieht Bilanz, erzählt von den politischen Konflikten, die sein Leben bestimmt haben, der Liebe, die er auf der anderen Seite der Meerenge verloren hat. Er tut dies, indem er über explodierende Sonnen spricht, wie sie erstmals im 11. Jahrhundert in China vermeldet wurden, und von einem Sternenwärter und Wächter der Zeit, der Zeit seines Lebens das Aufglühen von gleich zwei Supernovae beobachtete und festhielt. Wie diese beiden "Gaststerne" deuten, welche die ewige Ordnung des Kosmos durcheinanderbringen? Verheißen sie Krieg oder das Sprudeln von süßweinigen Quellen und die Sichtung eines Phoenix? Heute sehen wir Sonnen als Kernreaktoren, in denen all die einzelnen chemischen Elemente gebildet werden, aus denen unsere Welt besteht; und erklären die Explosion einer Sonne zum Auslöser für die Bildung unseres Sonnensystems. Doch wo ist unser Ort? Und wo wäre ein Gott? Fassbar von der Welt – ob von unserer privaten oder dem Kosmos – sind stets nur Bruchstücke und Spuren. Es ist wie mit den hunderttausenden von Trümmern des Asteroidengürtels. Fragmente des Anbeginns unseres Sonnensystems, werden sie uns jedoch nur über die Worte, Namen, Figuren begreiflich, mit denen wir sie benennen – gleich den 27 Monden des Uranus, die nach Shakespeares Theaterrollen getauft wurden und den Kratern der Saturnmonde, die Namen aus der Aeneis, dem Rolandslied, der Artussage und Tausendundeiner Nacht tragen. Erste Erde Epos ist der Versuch eines modernen Epos in einer Zeit, in der aufgrund immenser Wissensbestände, unzähliger Forschungsdisziplinen und des Verlusts klarer religiöser Ankerpunkte die Gattung "Epos" unmöglich scheint. Während das Modell zentraler europäischer Weltschöpfungsmythen von einer Dramaturgie geprägt ist, in der der Mensch sich im Gegenüber zu seinen Göttern situiert, und innerhalb derer alles festgehalten wurde, was über die Welt gesagt werden konnte, geht es Raoul Schrott darum, die Frage nach der humanen Tragweite unseres Wissens von der Welt und ihrer Entstehung zu stellen. Dabei können Poesie und Bilderreichtum der Dichtung das anschaulich und emotional erfahrbar machen, wovon die Wissenschaft in abstrakter Terminologie redet. In dem auf 21 Teile angelegten Epos, das mit Erstes Licht seinen Anfang nimmt, soll die Verbindung von alten Mythen, Diskurs der Naturwissenschaften, Dialogen mit Wissenschaftlern und subjektiven Reisebeschreibungen des Autors ein vielschichtiges Netz aus Perspektiven auf die Erde und unser Wissen von ihr ergeben, in dem die poetische Spracharbeit zum Mittel für die Stiftung von besonderen Weltbeziehungen wird. Silvester in Chile. In den Bergen der Atacama haben 3 Astronomen der Europäischen Südsternwarte - ein Neuseeländer, ein Taiwanese und ein Deutscher - einen Monitor aufgebaut. Probeaufnahmen sollen zeigen, ob sich der Gipfel, auf dem sie lagern, als Standort für ein Observatorium eignet. Gebaut werden soll das bislang weltgrößte Spiegelteleskop, seine Kuppel größer als ein Dom, um nach erdähnlichen Planeten zu suchen, die dunkle Materie zu erforschen, die ältesten Sonnen zu identifizieren und erstes Licht aufzufangen - jenes Licht, das 380.000 Jahre nach dem Urknall erstmals die glühend sich ausdehnende Gaswolke des Universums durchdrang. Derart wird der Weltraum sondiert; die Falschfarbenbilder des Teleskops illustrieren aber auch unsere urmenschlichen Ideen eines Anfangs. Und das Scheitern all unserer Vorstellungen von Raum und Zeit. Naturwissenschaft steht so Poesie und Mythos gegenüber. In diesem Fall ist es die Weltschöpfungsgeschichte der neuseeländischen Maori als letztem, um 1880 entstandenen Mythos vom Ursprung unseres Kosmos. In ihm geht es ebenso um das erste Licht - wie es sich im Phosphoriszieren der Glühwürmchen erhalten hat, die in den unterirdischen Höhlen von Waitomo ihre Sternbilder im Dunkel aufleuchten lassen. Raoul Schrotts Erste Erde Epos wird gefördert von der Kulturstiftung des Bundes.

Weitere Informationen
Raoul Schrott, geboren 1964 ist Autor und Übersetzer. Zu seinen Werken zählen u.a. "Hotels" (Gedichte 1995), "Finis Terrae" (1995), "Tristan da Cunha" (2003). Er übersetzte u.a. "Ilias" von Homer (2008). Für den BR schrieb er u.a. die Hörspiele "Hotels-Ein akustisches Tryptichon" (gemeinsam mit Klaus Buhlert, 1995, zum Hörspiel des Jahres gewählt), "Gilgamesh" (2001), "Tristan da Cunha" (2003).

Samuel Finzi bei den Hörspielaufnahmen
© br.de
Samuel Finzi bei den Hörspielaufnahmen © br.de

Produktions- und Sendedaten

  • Bayerischer Rundfunk 2013
  • Erstsendung: 22.06.2013 | Bayern 2 | 57'01

Veröffentlichungen

  • MP3-CD-Edition: Der Hörverlag 2016 (Oktober)

Auszeichnungen

  • hr2-Hörbuchbestenliste Februar 2017 (5. Platz)

Rezensionen (Auswahl)

  • Rafik Will: Hochspezialisiertes Wissen. In: Funk-Korrespondenz. 26.07.2013. S. 27.

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